Das moderne Gefecht und das deutsche Feld

Das moderne Gefecht und das deutsche Feld

Die deutsche sicherheitspolitische Community diskutiert über bewaffnete Drohnen. Das ist gut gemeint. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.

Braucht die Bundeswehr bewaffnete Drohnen? Schon allein die Frage überhaupt zu stellen und diskutieren zu wollen, ist an Naivität kaum zu überbieten. „Seit geraumer Zeit gibt es in fast allen Staaten strategische Planungen für die Anpassung der Landstreitkräfte an ein komplexeres Aufgabenspektrum, unter den Bedingungen von Multi-Domain-Operations und unter Einbeziehung qualitativ neuwertiger Waffensysteme“, so Oberstleutnant Michael Karl vom „German Institute for Defense and Strategic Studies“ (GIDS), dem ThinkTank der Bundeswehr.

Mensch gegen Maschine – Mensch chancenlos

Solche Überlegungen gibt es also auch in Deutschland. Nur ist die Dynamik, mit der sich das Gefechtsfeld schon bis heute verändert hat, überhaupt nicht in der Breite der sicherheitspolitischen Community angekommen. So hält Oberstleutnant Karl es für unwahrscheinlich, dass die Bundeswehr in einem Konflikt wie in Bergkarabach überhaupt im Gefecht bestehen könnte. Dort wurden bewaffnete Drohnen massenweise eingesetzt. Sie können Menschen unter anderem durch Wärmebildkameras detektieren und aus der Distanz eliminieren. Ein Soldat mit Stahlhelm und Sturmgewehr ist chancenlos. 

Dabei sind es ausdrücklich die „kleinen“ und „armen“ Armeen oder Milizen, die sich dessen bedienen, was wir als Hochtechnologie diskutieren. Hochtechnisierte Streitkräfte, wie die der USA, Chinas oder Russlands bringen schon seit Jahrzehnten ganz andere Geschütze in Stellung. Sie verfügen seit Jahrzehnten nicht nur über mehr Waffen, sondern haben atomare, biologische und chemische Waffen in ihren Arsenalen.

Diese Staaten machen Waffen aus dem, was technisch möglich und fragen allenfalls hinterher, was moralisch vertretbar ist.

Die Realität: „Super-Duper-Waffen“ der USA mit Hyperschall, Kampfflugzeuge Russlands (SU-57) die selbständig fliegen oder die ganzen Dual-use-Technologien, die selbst Medizintechnik zu Kampfwaffen im hybriden Krieg werden lassen. China kann (und wird) Viren als Waffen einsetzen. Die Debatte in Deutschland: „Können wir moralisch verantworten, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszustatten?“ Zunehmend schwierig: Diese Debatte kreist und kreist. Hier sei auf ein Papier von Tobias Wandel zur Drohnendiskussion verwiesen, das bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik im Jahr 2015 (sic!) erschienen ist.

Weltmacht spielt man nicht, man ist es (oder nicht)

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn die Diskussion in Deutschland einem klaren Narrativ folgen würde. Dass die Bundeswehr nicht über Hochtechnologie verfügt, war bislang strategisches Kalkül. Angelehnt an die militärischen Großmächte in West (Bundesrepublik) und Ost (DDR) waren Bundeswehr und NVA ergänzende Komponenten – unfähig ein Gefecht allein zu führen. Konzentriert darauf, Deutschlands Interessen an beiden Ufern der Elbe und nicht am Hindukusch zu verteidigen. 

Seit Jahrzehnten nun sieht man sich im vereinigten Deutschland immer mehr als Weltakteur und Führungsmacht. Fregatten werden nun ins südchinesische Meer entsendet. Deutsche Soldaten werden weltweit verteilt. Deutschland soll auch innerhalb der GSVP eine Anlehnungsmacht sein. Das heißt, dass sich die kleineren europäischen Staaten an Deutschland und seine Fähigkeiten „anlehnen“ können sollen. Eine selbstbewusstere deutsche Außenpolitik sieht sich ebenfalls als Partner auf Augenhöhe mit den USA und gleichzeitig mit Russland und China. Das ist alles nett. Nur gehört zu mehr Selbstbewusstsein auch genügend Hard Power, dieses Selbstbewusstsein zumindest theoretisch auch durchsetzen zu können.

Stattdessen diskutiert man ernsthaft darüber, ob den eigenen Streitkräften altbekannte Waffensysteme an die Hand gegeben werden können, um sich wenigstens selbst zu schützen. Die sicherheitspolitische Community sollte das nicht diskutieren. Sie sollte unablässig thematisieren, dass der global-moralische Machtanspruch Deutschlands bei gleichzeitiger strategischer Unklarheit und militärischer Machtlosigkeit ein extrem gefährlicher Spagat sind – Drohnen hin oder her. Das moderne Gefecht und das deutsche Feld sind zwei Dinge, die nicht zusammen passen.

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