Weltflüchtlingstag: Europa hat den Schlüssel für die Probleme noch nicht gefunden!
Weltflüchtlingstag: Millionen Menschen fliehen derzeit vor Kriegen, Hunger und politischer Verfolgung. Es werden immer mehr. Der „Sehnsuchtsort“ Deutschland signalisiert derweil: Wir haben keine Lösung.
Heute ist Weltflüchtlingstag – nicht der internationale Tag der Migranten. Das ist für die UNO ein wichtiger Unterschied. Letzteren hat die Weltorganisation auf den 18. Dezember gelegt. Heute ist jedoch eben Weltflüchtlingstag. Gleichzeitig gedenkt Deutschland zusätzlich noch den „weltweiten Opfern von Flucht und Vertreibung, insbesondere der deutschen Vertriebenen“. Allseits Betroffenheit und ehrlich bezeugtes Mitleid. Gleichzeitig wird klar: ob Flüchtling, Migrant, Vertriebener – die Kategorisierung derjenigen, die ihre Heimat verlassen, um woanders Fuß zu fassen, sind der UNO, ist Europa offensichtlich wichtig.
Diese Differenzierungen sind deswegen bedeutsam, weil mit ihnen unterschiedliche Ansprüche, Rechte und Pflichten verbunden werden. Migranten sind Menschen, die mehr oder weniger freiwillig von einem Ort zum anderen ziehen, um eine Arbeit aufzunehmen. Sie bedürfen dann eines besonderen Schutzes dann, wenn es um Arbeitnehmerrechte geht. Das ist der Sinn und das Ziel des Gedenktages am 18. Dezember. Ein rumänischer Wanderarbeiter, der auf einer deutschen Baustelle beschäftigt wird, ist zum Beispiel ein solcher Migrant, ebenso wie sein chinesischer Pendant. Aber eben auch der dänische Experte, der eine üppig dotierte Professur an einer römischen Universität annimmt. Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben auf unterschiedlichsten ökonomischen Ebenen.
Flüchtlinge werden dahingegen gegen ihren eigenen Willen gezwungen, ihr Land zu verlassen. Ansonsten sind sie tot. Hier geht es also nicht um ökonomischen Gewinn. Diese Menschen suchen kein besseres Leben, sie wollen ihr Leben einfach erst einmal retten. Wer aus seinem Land vor dem Verhungern oder dem Erschießen flieht, ist ein Flüchtling, wer aus seinem Land in der Hoffnung auf ein besseres Leben wegzieht, ist ein Migrant. Diese Unterschiede kennt jeder, der sich nur allzu gern unter dem Schutz des Flüchtlingsstatuts in reichen Ländern wie Deutschland aufhalten möchte. Schicksale werden erfunden, die Herkunft wird gefälscht, die eigenen Fingerabdrücke abgeschliffen. Was dann entsteht, ist der so genannte Wirtschafts- oder auch Elendsflüchtling. Und mit ihm beginnt das europäische Drama.
Wir wollen in Europa die Menschen kategorisieren, obwohl diese Unterscheidung zumeist gar nicht möglich ist. Also werden alle, die nach Europa kommen wollen, in einen Topf geworfen. So ist von Migrantenflut oder Migrantenkarawane die Rede. Der katholische Bischof Marx kritisiert die CSU wegen ihrer angeblich „wenig hilfreichen“ Unterscheidung in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge. Doch exakt auf diesen Unterschied kommt es in unserem Rechtssystem an. Mit dem Tod bedrohte Flüchtlinge müssen in Europa ihre Lebenssicherheit finden können. Mit Elend bedrohte Migranten sollten in Europa eine Lebensperspektive finden können. Während der Schutz des Lebens jedoch nicht hoch genug angesehen werden kann, sollte ein Migrant eine ökonomische Perspektive in Europa haben – jedoch nur dann, wenn er sich alleine wirtschaftlich behaupten kann. Unterschiedslose finanzielle Hilfsleistungen sind weder politisch vermittelbar, noch völkerrechtlich gefordert. Problem ist nur, wir in Europa können nicht unterscheiden zwischen dem Einen und dem Anderen. Die Übergänge sind fließend, die individuelle Lebensgeschichten oft nicht zu belegen. Wer will ernsthaft definieren, wo das wirtschaftliche Elend aufhört und die Existenzbedrohung anfängt? Wer will einen chinesischen Blogger moralisch höher werten, als eine vor Elend und Perspektivlosigkeit fliehende afrikanische Familie?
Das geltende Asylrecht ist scheinbar glasklar. Ausschließlich Menschen, die nach Abschluss eines Asylverfahrens den Flüchtlingsschutz erhalten, sind Flüchtlinge. Sie zu beherbergen und zu beschützen ist eine moralische Pflicht und überdies für unser Land auch weiterhin leistbar. Dieser Flüchtlingsschutz basiert zudem auf der Genfer Flüchtlingskonvention, also internationalem Recht. Es ist kein Feld, auf dem Deutschland überhaupt eigenständig handeln kann, es sei denn, man wolle geltende UNO-Verträge missachten.
Diskutieren kann und soll man jedoch sehr wohl, ob das klar definierte Asylrecht in Deutschland tatsächlich angewendet werden kann. Aktuell liegt die Anerkennungsquote bei Schutzsuchenden in Deutschland bei 36,2 Prozent. Laut Bundeszentrale für politische Bildung wurden im Jahr 2017 rund 21 Milliarden Euro für asylbedingte Kosten ausgegeben. Darin inkludiert sind Kosten für Fluchtursachenbekämpfung, Aufnahme, Registrierung und Unterbringung. Die vielfach gescholtenen Sozialtransferleistungen nach Asylverfahren liegen bei 3,69 Milliarden Euro. Das ist rund ein Prozent des Bundeshaushalts. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 forderte das Bundessozialministerium gut 3 Milliarden Euro zu viel gezahltes Arbeitslosengeld I und Hartz-IV von seinen Empfängern zurück. Hier und dort geht es um die Anwendung von Recht auf unsicherer Faktenlage. Gemeinhin bezeichnet man solche Phänomene als „Unterschied zwischen Theorie und Praxis“. Alle und jeden Flüchtling oder Migranten über einen Kamm zu scheren wäre zutiefst ungerecht. Die sichere Anwendung geltenden Rechts scheint jedoch ebenso unmöglich zu sein. Was tun?
Fluchtursachen bekämpfen ist das Zauberwort seit ein paar Jahren. Doch das geschieht viel zu zögerlich. Statt europäische Truppen als Interventionsarmee vehement einzusetzen und Hilfsorganisationen flächendeckend die Möglichkeit zum Arbeiten zu bereiten, wird gekleckert, statt geklotzt. Dort ein paar wenige Soldaten, hier ein paar mahnende Worte. Nur nicht zu sehr einmischen, sich zu sehr in „fremde“ Konflikte einbringen. Damit kriegt man die Probleme der Welt nicht in den Griff. Probleme, die in Form von Flüchtlingen (oder Migranten – wer weiß das schon) stetig an unsere Tür klopfen und damit moralisch und wirtschaftlich zu unseren eigenen Problemen werden.
Weder die Genfer Flüchtlingskonvention, noch deutsches Recht wie auch globale Fluchtsursachen – auf keiner Ebene herrscht in Europa Einigkeit oder in Deutschland Wirksamkeit. Heute bedauern und betrauern wir die Not und das Elend der Flüchtlinge auf der Welt. Deren Zahlen steigen stetig. Eigentlich müssten die reichen Nationen den Schlüssel für die Lösung in der Hosentasche haben – wir haben nur noch nicht richtig danach gesucht. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ ist seit mehr als vierzig Jahren in der deutschen politischen Debatte. Zwischen Migranten und Flüchtlingen eindeutig zu unterscheiden ist uns auch heute in vielen Fällen noch immer nicht möglich. Es wäre auch keine Lösung. Die liegt woanders, außerhalb Europas.