Sind Atomwaffen wirklich gefährlich?

Sind Atomwaffen wirklich gefährlich?

Die NATO hat in der vergangenen Woche ihre 17. Konferenz zur Rüstungskontrolle, Abrüstung und Massenvernichtungswaffen abgehalten. Bezeichnend, dass sich die Experten über die größten Herausforderungen jedoch nicht unterhalten haben.

Die Feinde der NATO sind klar. „Russland ignoriert und missachtet konsequent die Regeln. (…) Chinas Arsenal an Atomwaffen wächst. (…) Es gibt noch andere Länder, die nukleare Systeme testen und weltweite Regeln missachten – Nordkorea und Iran.“ So der Nato Generalsekretär Jens Stoltenberg. 

Rund 100 Delegierte aus 45 Ländern diskutierten in Kopenhagen also über Atomwaffen und drückten ihren Wunsch aus, ein neues START-Abkommen (Strategic Arms Reduction Treaty) und ein neues NPT-Abkommen (Non-Proliferation of Nuclear Weapons) schließen zu wollen. 

Nur gibt es dazu überhaupt keine Bereitschaft der feindlichen Seite, diesem Wunsch zu entsprechen. Früher wurde einer Aufrüstung von Seiten des Gegners dann eine Stärkung eigener Kräfte entgegengesetzt. Die so genannte Rüstungsspirale. Diese haben die westlichen Mächte klar durchbrochen. 

Atomwaffen sind veraltet

Schon die 2018 von der Trump-Administration angestrengte „Nuclear Posture Review“ (NPR) spricht von der Notwendigkeit, das US-amerikanische Atomwaffenarsenal zu erneuern. Davon kann keine Rede sein. „Anfang 2021 verfügte das US-Verteidigungsministerium über einen geschätzten Bestand von 3.800 nuklearen Sprengköpfen, die von 800 ballistischen Raketen und Flugzeugen eingesetzt werden können. Die meisten dieser Sprengköpfe sind nicht im Einsatz, sondern werden gelagert, damit sie bei Bedarf in Raketen und Flugzeuge geladen werden können. Viele sind für die Ausmusterung bestimmt. Wir schätzen, dass derzeit etwa 1.800 Sprengköpfe im Einsatz sind, von denen etwa 1.400 strategische Sprengköpfe auf ballistischen Raketen und weitere 300 auf strategischen Bomberbasen in den Vereinigten Staaten stationiert sind. Weitere 100 taktische Bomben sind auf Luftwaffenstützpunkten in Europa stationiert. Die verbleibenden Sprengköpfe – etwa 2.000 – sind als so genannte Absicherung gegen technische oder geopolitische Überraschungen eingelagert. Mehrere hundert dieser Sprengköpfe sollen vor 2030 ausgemustert werden.“ https://thebulletin.org/premium/2021-01/nuclear-notebook-united-states-nuclear-weapons-2021/

Das Verhalten der NATO, respektive USA scheint paradox. Während China und Russland sich aus Verträgen ausklinken und aufrüsten, tut die westliche Allianz das Gegenteil und behält den Abrüstungskurs bei. Die auf der NATO-Konferenz ausgedrückte Hoffnung, dass Russland und China an den Verhandlungstisch zurück finden und Länder wie der Iran und Nordkorea den eingeschlagenen Pfad der atomaren Aufrüstung nicht weiter verfolgen ist dabei nur eine Seite der Medaille. Der Westen hat nämlich die Atomstrategie für sich in Gänze ad acta gelegt.

Atomwaffen spielen im militärischen Kalkül keine wesentliche Rolle mehr. Ihre unspezifische Wirkweise und ihre hohen Kollateralschäden lassen einen militärisch sinnvollen Einsatz gar nicht zu. Sie sind Waffen der letzten Konsequenz, wenn es nur noch darum geht, einem potentiellen Angreifer die Erde nicht überlassen zu wollen, wenn man schon kurz vor der totalen Vernichtung steht. Ein erheblicher Vorteil von Atomwaffen für den Weltfrieden ist darüber hinaus, dass es immenser technologischer und wirtschaftlicher Anstrengungen bedarf, um sie zu entwickeln und zu unterhalten. Kurzum: Atomwaffen sind was für reiche Jungs, die lieber sich selbst und ihre Feinde in die Luft jagen, bevor sie anderen den Sieg überlassen.

Nicht umsonst gab es seit den Abwürfen von Hiroshima und Nagasaki keinen militärischen Einsatz von Atomwaffen mehr. Es wird ihn auch nicht geben – es sei denn, man steht kurz vor der totalen Vernichtung. 

Maßgeschneiderte Biowaffen sind wahrscheinlicher

Und genau hier gibt es Besorgnis erregende Entwicklungen. Ausgerechnet die „Nuclear Threat Initiative“ (NTI) widmet sich trotz ihres “Nuclear” im Namen seit Jahren immer intensiver den neuen, weitaus apokalyptischeren Herausforderungen für die Sicherheit im 21. Jahrhundert. „Biologische Waffen sind die tödlichsten Waffen, die je hergestellt wurden. Da sich Keime nicht an Grenzen halten, können biologische Bedrohungen – ob künstlich oder natürlich entstanden – schnell globale Auswirkungen haben. Obwohl nur wenige Länder im Verdacht stehen, über biologische Waffen zu verfügen, ist es erstaunlich einfach, biologische Kampfstoffe herzustellen und als Waffe zu verwenden.“ Dieses Zitat stammt von 2015. Heute, sechs Jahre später, ist man auch technologisch weiter. 

“Es besteht die Gefahr, dass in naher Zukunft Krankheitserreger, die auf bestimmte Altersgruppen, Ethnien, Ernährungsgewohnheiten und Geschlechter abzielen, dank der Digitalisierung noch schneller und kostengünstiger entwickelt werden können. Dies könnte dazu führen, dass neue Krankheitserreger statt der unspezifischen Wirkung früherer Massenvernichtungswaffen eine maßgeschneiderte Wirkung entfalten – was ihren Einsatz durch einige Bedrohungsakteure potenziell wahrscheinlicher macht.” https://www.researchgate.net/publication/352478030_Threats_Risks_and_Vulnerabilities_At_the_Intersection_of_Digital_Bio_and_Health

Atomwaffen, diese komplizierten, dreckigen und gegen jeden wirkenden Waffen können die Menschheit auslöschen. Leider ist inzwischen eine neue Generation von Massenvernichtungswaffen entstanden, die den unwahrscheinlichen Einsatz von Atomwaffen auf Grund ihrer maßgeschneiderten Wirkung ersetzen und tatsächlich in einem Konflikt eingesetzt werden. Sie würden dann eine spezifische Nation oder Ethnie tatsächlich auslöschen können. Diese hätte dann schließlich noch die Möglichkeit, in letzter Konsequenz dennoch Atomwaffen einzusetzen – bevor alles dem Feind in die Hände fällt. Erstschlag Bio, Letztschlag Atom.

PAGE TOP