„Initiative Innovationskraft für Sicherheit in der Wirtschaft“ (IISW) gestartet

Die Zahlen sind alarmierend: Vergleicht man die geschätzten Umsätze der Organisierten Kriminalität (OK) mit den Umsätzen von Unternehmen, inklusive globaler Konzerne, muss man feststellen: Die „OK AG“ ist das mit Abstand größte Unternehmen der Welt. Und damit nicht genug. Immer deutlicher wird der fließende Übergang von Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Um der Organisierten Kriminalität entgegenzutreten und Terrorismus zu bekämpfen, hat das Forum Vernetzte Sicherheit gemeinsam mit der Cyber-Akademie in Berlin den Startschuss für die „Initiative Innovationskraft für Sicherheit in der Wirtschaft (IISW)“ gegeben. 
„Die Initiative soll als neues, starkes Sprachrohr von Unternehmen, Verbänden und wissenschaftlichen Institutionen dienen. Diese wollen im gesunden Eigeninteresse den Kriminellen die Stirn bieten, die Politik animieren und Behörden unterstützen, um bestmögliche Voraussetzungen für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu schaffen“, so der Vorsitzende des Forums Vernetzte Sicherheit, Thomas Franke. Die Überzeugung, die dahintersteht: Die Kreativität, Kompetenz und Innovationskraft der Wirtschaft  ist am Ende stärker als die kriminelle Energie von Banden und Organisierter Kriminalität.
Schlüsselgedanke ist, durch den Einsatz von innovativen Technologien Lieferketten zu sichern und damit Produktpiraterie und Produktfälschungen zu vermeiden. Wenngleich Unternehmen in unterschiedlichen Branchen ihre je eigene Herangehensweise bei der Vermeidung von Produktfälschungen haben, sind sie auf ein Umfeld angewiesen, das ihnen den Einsatz des für ihre Ansprüche bestmöglichen Systems ermöglicht. Dieses innovationsfreundliche Umfeld gemeinsam mit betroffenen Unternehmen zu schaffen ist ein wesentliches Ziel der IISW.
Denn die Wirtschaft kann und muss ihre technologische Überlegenheit und Innovationskraft nutzen, um den illegalen Handel von Produkten nachhaltig zu bekämpfen. Da der Handel mit gefälschten und gestohlenen Produkten ein wesentliches Aktionsfeld der OK ist, stand die Lieferkettensicherheit auch im Fokus der ersten Veranstaltung.
Initialer Round-Table mit Top-Experten
Wie dringend ein stärkeres Engagement für den Markenschutz und gegen Produktpiraten ist, zeigen aktuelle Zahlen der OECD. Demnach gibt es so viele gefälschte Produkte wie noch nie: Der Umsatz mit gefälschten Produkten betrug 2013 rund 461 Milliarden Dollar – das sind 2,5 Prozent des weltweiten Handels. Der Schaden für deutsche Unternehmen wird von Experten auf 30 Milliarden Euro (DIHK) bis zu 56 Milliarden Euro (Ernst & Young) pro Jahr taxiert. Betroffen sind alle Branchen. Vom gefälschten, weil gefärbten Hühnerei bis zum nachgebauten Ersatzteil für Industrieroboter, alles kann gefälscht werden – und wird es auch.
Beim initialen Round Table der IISW waren deshalb Vertreter verschiedener Unternehmen genauso zu Gast wie Verbände und Experten aus der Wissenschaft. Zwei ausgewiesene Kenner auf ihrem Gebiet gaben dem exklusiven Teilnehmerkreis an diesem Abend als Keynote-Speaker Einblicke in besonders spannende Bereiche des Themas: Professor Dr. Wolfgang Wahlster, Direktor und Vorsitzender des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) und Professor Dr. Peter Neumann, renommierter Terrorismusexperte und Direktor des „International Center for the Study of Radicalisation“ am King’s College London.
Sicherheitsexperte Neumann: „Terror trifft Kleinkriminalität“ 
Im Mittelpunkt des Vortrags von Professor Neumann: Der Zusammenhang zwischen dem Terrorismus, insbesondere des sogenannten Islamischen Staates (IS), und der Organisierten Kriminalität. Der Wissenschaftler analysiert mit seinem Londoner Team die Strukturen und Aktivitäten der IS-Terroristen. Ein Knackpunkt für das Erstarken des IS war für Professor Neumann der gescheiterte „Arabische Frühling“: „Viele junge Menschen erhofften sich Verbesserungen für ihr Leben, doch diese sind ausgeblieben. Das hat der IS, der 2010/2011 eigentlich schon mehr oder weniger am Ende war, in den zusammenbrechenden Staaten wie Syrien und dem Irak geschickt genutzt.“
Und zwar so erfolgreich, dass die westliche Welt mit den Nachwirkungen des Syrien-Krieges sicher noch mehrere Jahrzehnte zu kämpfen haben werde, auch wenn der akute Konflikt, also die kriegerische Auseinandersetzung, beendet werden könnte. Gefährlich sei aktuell besonders ein struktureller Wandel innerhalb der Terrororganisation, eine zunehmende „Konvergenz der Milieus“, wie Neumann es formulierte: Während die erste Generation islamischer Terroristen, zum Beispiel die Attentäter des 11. September 2001, vorwiegend aus gebildeten Personen der Ober- und Mittelschicht bestand, rückten immer mehr Kriminelle nach, nicht selten mit langem Vorstrafenregister. Die wirtschaftskriminelle Energie der Terroristen – vor Ort im Nahen Osten, aber auch als Rückkehrer in Deutschland – sei deshalb hoch. Konsequenteres Vorgehen gegen diese (Klein-)Kriminellen sei nötig, aber nicht nur eine Angelegenheit von Polizei und Zoll. Durch technologische Mittel und Methoden, wie neue Software oder Nachverfolgungstechniken, ist ein höherer Schutz für Unternehmen relativ einfach zu realisieren und im eigenen ökonomischen Interesse. Ein stärkeres Engagement der Wirtschaft in diesem Zusammenhang sei sinnvoll und wünschenswert.
Industrie 4.0-Erfinder Wahlster: Produktpiraterie mit digitalen Lösungen bekämpfen
Einen Abstecher in die Zukunft des Produkt- und Markenschutzes machte Professor Dr. Wolfgang Wahlster, einer der renommiertesten Experten zu den Themen künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Erfinder des Konzepts der „Industrie 4.0“. Gerade in Anbetracht der Entwicklung in Richtung Industrie 4.0, also der stark zunehmenden Vernetzung von Produktionsanlagen, Fabriken und Zulieferern über ganze Wertschöpfungsketten, scheinen Maßnahmen zum besseren Produktschutz unabdingbar.
Professor Wahlster machte deutlich, dass es bereits jetzt hochinnovative Schutztechnologien gibt – und die Zukunft verspreche noch deutlich mehr. Erste technisch bedingte Erfolge im Kampf gegen die organisierte Wirtschaftskriminalität gebe es bereits, so konnte beispielsweise im vergangenen Jahr im deutschen Maschinen- und Anlagenbau der Umsatzverlust durch Fälschungen um immerhin 600 Millionen Euro gesenkt werden. Unter anderem geschah dies dadurch, dass viele Waren mittlerweile über sogenannte digitale Produktionsgedächtnisse verfügen – „ein wesentlicher Bestandteil aller Wirtschaftsgüter im Konzept der Industrie 4.0“, so der Professor. Oder man verarbeitet zum Beispiel „sichere Identitäten“ in die Produkte durch „Cyber-physical systems“ (CPS). Hier werden kleine Chips so mit dem Produkt verbaut, dass sie nicht entfernt werden können ohne dabei die Ware zu zerstören. Ein weiterer Bereich, der für die Zukunft viel verspreche, sei der Fortschritt in der Verschlüsselungstechnik durch Quantencomputer.
„Es gibt schon heute genügend technische Lösungen gegen Fälschungen, aber auch eine gewisse Investitionsschwelle.“ Um Produktpiraten das Wasser abzugraben, seien solche Schritte aber nötig, und es lohne sich, dies zu tun. Unternehmen sparen am Ende Geld und retten ihre Reputation. Image- und Sicherheitsrisiken durch schlechte gefälschte Produkte fallen schließlich zunächst zu Lasten des Qualitätsherstellers. Der Nachweis, dass es sich um ein gefälschtes Produkt gehandelt hat, ist mitunter schwierig und geschieht erst im Nachhinein.
„Noch steht die Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht so sehr im Fokus der Sicherheitsdebatte, obwohl sie extrem wichtig ist. Die Initiative IISW wird hier sicher einen bedeutenden Beitrag leisten, wenn sie das Thema auf die politische Agenda hievt“, erklärte Professor Wahlster abschließend.
Unterstützen Sie uns – gemeinsam gegen die Organisierte Kriminalität
Die „Initiative Innovationskraft für Sicherheit in der Wirtschaft“ (IISW) ist offen für alle Unternehmen, Institutionen und Experten, die etwas gegen organisierte Wirtschaftskriminalität unternehmen möchten. Sprechen Sie uns an, vernetzen Sie sich und unterstützen Sie uns im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und für mehr Sicherheit in der Wirtschaft.

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