„6 Prozent sind nicht genug!“

Ashton Carter, der neue Verteidigungsminister der USA, besuchte zum ersten Mal in seiner neuen Funktion Deutschland und trat bei einer Veranstaltung der Atlantik-Brücke in Berlin auf. Er las den Deutschen ordentlich die Leviten und die Anwesenden hörten das mehr als gerne.
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„Dear Ash“ und „Dear Ursula“ – an Nettigkeiten zwischen den beiden Verteidigungsministern mangelte es nicht, bei Carter’s erster Rede als Verteidigungsminister in Berlin. Direkt neben dem Brandenburger Tor, vis-à-vis zur Amerikanischen Botschaft, hatte Friedrich Merz als Vorsitzender der Atlantik-Brücke geladen und betonte mehrfach die große Freundschaft des anwesenden Publikums mit den USA. Offensichtlich war man „unter Freunden“ – das erstreckte sich auch bis hin zum anwesenden Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk. Den großen Bogen schlagend verwies Carter auf die „Globale Allianz“ in der sich die USA gemeinsam mit Deutschland befänden.
Kritik an Deutschland
Alles weitere war jedoch diplomatisch verpackte, weil freundschaftliche, Kritik an den deutschen Verteidigungsbemühungen. Man sei in einer Zeit des Wandels: „The cold-war playbook doesn’t apply anymore!“ Man müsse sich neuen Sicherheitsherausforderungen stellen, diese würden zu Instabilitäten führen, Migrationsströme verursachen und Radikalisierung vorantreiben. Man müsse sich damit auseinander setzen, wie man dem Cyberwar, einer neuen Dimension von Propaganda und hybrider Kriegsführung entgegentreten wolle. Ashton begrüßte die lebendige Debatte in Deutschland über die eigene Rolle in dieser neuen Welt, sagte aber auch klar, dass eine Erhöhung des deutschen Verteidigungsetats zwar positiv sei aber nicht ausreichen würde um den eigenen Ansprüchen an eine deutsche Führungsrolle in der Welt gerecht zu werden.
Neuer Kalter Krieg
Trotz der Tatsache, dass sich das Gesicht der Konflikte geändert hat – die quasi-Rückkehr zum Kalten Krieg mit Russland zeigt, dass alte und schon längst vergessene Spannungen mitnichten als erledigt betrachtet werden können. Exakt zwanzig Jahre nach dem Schließen des berühmten Grenzübergangs „Checkpoint Charlie“ verwies Ashton Carter darauf, dass „gerade jetzt in dieser Woche“ nicht weniger als zwanzig Übungen von US-Truppen auf dem Boden der EU stattfänden. Die Botschaft ist damit klar: Die USA stehen zu ihren Bündnisverpflichtungen in einer sich wandelnden NATO. Die NATO, früher einmal, so Ashton „der Gold-Standard“ in der Sicherheitsarchitektur ist im tiefen Wandel begriffen. Um diesen Wandel aktiv und in die Zukunft gerichtet zu gestalten, dürfe man sich nicht durch Russland in ein Sicherheitsszenario der Vergangenheit hineinziehen lassen. Russland nutze seine Macht, um die Sicherheitsbemühungen Europas zu untergraben und der strategischen Stabilität der NATO zu schaden.
Informationsarbeit ist wichtig
Wie grundlegend die Probleme Europas sind, wurde durch eine Nebenbemerkung Carter’s deutlich, die heute in Berlin (unter Freunden) fast unterging. Man bräuchte neue mediale und Informationsangebote für die Menschen, schließlich seien es „ihre Dollars und Euros“, die man für die Verteidigung ausgeben würde. In Anspielung auf die deutsche Rüstungsmisere machte Carter deutlich, dass es insbesondere wichtig sei, bei Rüstungsvorhaben nicht den Eindruck der Verschwendung und des Missmanagements entstehen zu lassen. Der amerikanische Verteidigungsminister betonte zwar, er könne natürlich nur von den USA sprechen – der Fingerzeig war aber gegeben.
Fazit: Alles in allem also eine wichtige mentale Schützenhilfe für die deutsche Verteidigungsministerin. Die immensen Herausforderungen sind aber deutlich geworden: Aktuell keine einheitliche Strategie, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, kein entsprechendes Material, nicht genug Geld und eine kritische Bevölkerung. Es muss was getan werden in Deutschland und Europa – in aller Freundschaft.

Thomas Franke

Thomas Franke has been working for more than 30 years in the field of security and defense. One of the main focuses of his recent activities is the "Forum Vernetzte Sicherheit gGmbH," which he founded. This is a news portal and network dedicated to promoting interdisciplinary exchange on all essential aspects of security. During his work as an advisor in the German Bundestag, Franke became familiar with the concept of synergistic security. It's NATO affiliation is the "comprehensive approach". He adopted this approach and consistently emphasized security aspects during his numerous roles as soldier, researcher, press officer and publisher. Through this, Franke gained expertise not only in the military domain but also in financial security, corporate risk management, political and societal risks. Among other initiatives, Franke advocates for research projects that enable a new security architecture through collaboration between civilian, governmental, and scientific actors (Public-Private Partnerships/PPPs). Until March 2021, he led a bilateral research project on security in pharmaceutical logistics, funded by Germany's Federal Ministry of Education and Research (BMBF) and Austria's Ministry for Innovation and Technology (BMVIT). Most recently, Franke is mainly focused on cognitive warfare, Enterprise Architecture Management and human performance modification for the Federal Armed Forces of Germany.

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