"NATO war schon für Obama ein Auslaufmodell"
Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Soeben erschien im Quadriga Verlag die überarbeitete Neuauflage seines Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Das FVS sprach mit Herrn Dr. Braml über die US-Politik unter dem neuen Präsidenten.
Lieber Herr Braml, die Auftaktpressekonferenz von Donald Trump war ja sehenswert. Welcher neue Kommunikationsstil zeichnet sich hier ab?
Dass Trump überhaupt erst nach Monaten wieder eine Pressekonferenz gab und diese dann auch noch nutzte, um etablierte Medien als Lügenpresse und stinkenden Müllhaufen abzukanzeln, verdeutlicht, dass er die sogenannte vierte Macht im Staate, diskreditieren will. Damit entzieht er sich der Gewaltenkontrolle der Medien. Donald Trump missbraucht vielmehr soziale Medien für seine Machtzwecke, er nutzt Twitter als Herrschaftsinstrument. Indem er mit seinen Wählern direkt kommuniziert, kann er selbst die Agenda bestimmen und die Realität in seinem Sinne deuteten.
Welche Auswirkungen hat das für den politischen Diskurs in den USA?
Trump entzieht sich dem demokratischen politischen Diskurs. Jene, die sich noch trauen, ihn kritisch zu hinterfragen, werden lächerlich gemacht, an den Pranger gestellt oder denunziert. Trumps Geschäftsgebaren hat wenig mit demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsfindung zu tun. Mit seiner Art des Deal-Making will er auch institutionalisierte Aushandlungsprozesse zwischen den politischen Gewalten, dem Präsidentenamt und dem Kongress, aushebeln.
Wird Trump es schaffen, zum Beispiel durch die neue Art der Krankenversicherung, das Land zu vereinen oder eher weiter spalten?
Wer denkt, dass Trump das Land vereinen könnte, sollte nochmal gründlicher nachdenken. Selbst wenn er das wollte, wäre er angesichts der massiven sozio-ökonomischen und politischen Probleme seines Landes ebenso überfordert wie sein Amtsvorgänger Obama. Trump spielt mit dem Feuer, wenn er ein wichtiges Element der ohnehin schwachen sozialen Fürsorge kassieren will. Wenn er zudem Steuern für Wohlhabende kürzen sollte, wären soziale Konflikte und Proteste vorprogrammiert.
Welche Auswirkungen wird die neue Politik in den USA auf Europa und Deutschland haben?
Deutschland und Europa müssen sich auf mehrere Szenarien einstellen. Im schlimmsten Fall wird Trump Europa zu spalten versuchen, um die Konkurrenz zu schwächen. Im günstigsten Fall wird er uns einfach ignorieren, sich noch stärker als sein Vorgänger auf den Rivalen China fokussieren und sich dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden.
Die NATO scheint obsolet geworden zu sein. Welche Rolle kann und soll Deutschland im Rahmen eines europäischen Verteidigungsbündnisses wahrnehmen?
Selbst Barack Obama hat – übrigens an der Siegessäule in Berlin – die Nato als Auslaufmodell charakterisiert, wenn sie nicht den neuen Herausforderungen angepasst würde. Schon unter Obama, der uns übrigens auch schon als Trittbrettfahrer bezeichnet hat, ging es darum, gemeinsam globalen Herausforderungen zu begegnen. Trump hat die Nato grundlegender infrage gestellt. Auch deshalb sollten wir Europäer zusehen, dass wir uns selbst schützen können, auch um von den USA, zumal vom künftigen Präsidenten, wieder etwas ernster genommen zu werden.
Welche Fernwirkungen auf die Weltordnung zeichnen sich durch die neue Konstellation ab?
Die sich seit Längerem schon abzeichnende Rivalität zwischen den USA und China wird weiter verschärft. Deutschland muss als Handelsnation, die wirtschaftliche Interessen mit beiden pflegt, aufpassen, dass es nicht zwischen die Fronten von Militärmächten gerät. Deutsche und europäische Entscheidungsträger sollten die noch verbleibende Zeit nutzten, um ein weiteres militärisches Wettrüsten und eine Blockbildung zu verhindern.