Illegaler Handel und Lieferkettensicherheit

Ein kurzer Überblick von Fraunhofer FOKUS für die IISW
Illegaler Handel umfasst ein breites Feld illegaler Aktivitäten und hat enorme Dimensionen angenommen, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Die World Customs Organization (WCO) listet in ihrem „Illicit Trade Report 2014“ das Verschieben von illegalen Betäubungsmitten, Umweltkriminalität und illegalen Handel mit natürlichen Ressourcen, die Verletzung des geistigen Eigentums, den Handel von gesundheits- und sicherheitsgefährdenden Substanzen, den Schmuggel verbrauchsteuerpflichtiger Waren, der Umsatzsteuerverluste verursacht, sowie den illegalen Handel mit gefährlichen und verbotenen Artikeln auf. Hinzu kommen Felder wie der illegale Handel mit Kunstwerken und Antiquitäten.
Während das Phänomen von illegal kopierten Musikstücken oder Filmen seit Jahren in breiten Bevölkerungskreisen diskutiert wird, werden Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen in anderen Bereichen bisher im Wesentlichen in Fachkreisen erörtert. Der finanzielle Schaden ist aber auch in diesen in der Öffentlichkeit weniger beachteten Feldern immens. Eine erste zur Abschätzung des globalen Umfangs der illegalen Handelsaktivitäten bietet die OECD Studie zu Trade in Counterfeit and Pirated Goods – Mapping the economic Impact. Diese Studie schätzt allein den Schaden von Produktfälschungen und Urheberrechts- bzw. Patentverletzungen auf 461 Mrd. US$. Mit 1,8 Billionen US$ kommt die NetNames Studie „Counting the cost of counterfeiting“ sogar zu einem nochmals deutlich höheren Wert, der auch in dieser Größenordnung von der Frontier Economics Studie „Estimating the global economic and social impacts of counterfeiting and piracy“ prognostiziert wurde. Der laut NetNames größte Posten sind Fälschungen bei Pharmaprodukten mit einem Wert von ca. 200 Mrd. US$ weltweit.
Konkrete auf Deutschland runtergebrochene Zahlen gibt es für den so wichtigen Markt des Maschinen- und Anlagenbaus. Hier schätzt die VDMA Studie Produktpiraterie 2016 den „Umsatzschaden, der deutschen Maschinen- und Anlagenbauern in 2015 entstand, auf 7,3 Milliarden Euro“.
Für den Konsum- und Luxusgüterbereich wurden vom European Observatory on Infringements of Intellectual Property Rights eine Reihe an Studien durchgeführt, die jeweils den monetären Schaden, der innerhalb der Europäischen Union verursacht wurde, erhoben haben. Die Studien weisen allesamt einen Umsatzverlust zwischen 5-10% für die jeweilige Branche aus.
Neben den rein monetären Schäden durch verlorengegangenen eigenen Umsatz, verursachen Produkt- und Markenfälschungen auch potentiell weitere Folgeschäden. So können sie den Markenwert beschädigen, wenn Produkte eine geringere Haltbarkeit oder Wirksamkeit aufweisen. Oder gerade im Fall von gefälschten, qualitativ minderwertigen Bau- und Ersatzteilen auch Garantiefälle nach sich ziehen, die eigentlich nicht im Bereich des eigenen Verschuldens liegen. Medikamentenfälschungen können im Falle fehlender Wirksamkeit oder Verunreinigung sogar lebensgefährlich sein.
Die meisten Produktfälschungen kommen aus China und Südostasien, wo Produktfälschungen aufgrund kultureller Unterschiede deutlich weniger verpönt sind. Während gerade bei High-Tech Produkten ein großer Teil der Fälle durch direkte Wettbewerber entsteht, sind es bei klassischen Markenprodukten für den Endkundenmarkt oft kleinere Fabriken, die sich auf Fälschungen spezialisiert haben. Hier gibt es auch das Phänomen der sogenannten „Tag & Nacht“-Fabriken, die tagsüber Auftragsfertiger von Markenherstellern sind und nachts die gleichen Produkte auf eigene Rechnung fertigen.
Je nach Branche wird auf sehr unterschiedliche Art und Weise gegen Fälschungen vorgegangen. Neben organisatorischen Maßnahmen, wie der Einführung eines Brand Protection Managers, dem kontinuierlichen Monitoring von Märkten nach potentiellen Fälschungen oder dem Bereitstellen von Informationsmaterialien, die Kunden helfen Fälschungen zu erkennen, spielen zunehmend auch technische Maßnahmen eine Rolle.
Unter der Überschrift Lieferkettensicherheit werden aktuell insbesondere zwei Ansätze verfolgt. Zum einen werden Produkte mit sichtbaren und unsichtbaren Sicherheitsmerkmalen versehen und zum anderen werden individuelle Produktnummern vergeben, aufgebracht und in einer Datenbank hinterlegt. Die Erkennung eines Originals kann nun über die Produktnummer, die Sicherheitsmerkmale oder eine Kombination aus beidem erfolgen. Zusätzlich werden die Produkte über die Logistikketten hinweg nachverfolgt, so dass nicht nur nachvollziehbar ist, wo sich welches Produkt befindet, sondern auch wohin es soll und woher es kam. Gerade die Kombination aus Sicherheitsmerkmalen, Produktnummer und korrektem Aufenthaltsort ermöglicht eine effektive Bekämpfung von Produktfälschungen.
Sicherheitsmerkmale unterliegen stetiger technologischer Innovation, wobei es in den vergangenen Jahren einen ständigen Wettlauf zwischen Fälschern und Herstellern von Sicherheitsmerkmalen gab. Zumeist werden als Sicherheitsmerkmale spezielle Muster, Mikroschriften oder Materialien aufgebracht oder eingearbeitet. Zu unterscheiden sind Sicherheitsmerkmale, die vom Menschen erkannt werden können und solche, die nur mit speziellen Verfahren beispielsweise in einem Labor nachgewiesen werden können. Das bekannteste Beispiel für die Anwendung von Sicherheitsmerkmalen ist Papiergeld, bei dem eine Vielzahl von Merkmalen auf- und eingebracht wird. Während einige bekannt sind und einfach erkannt werden können, sind andere geheim und können nur mit Spezialverfahren nachgewiesen werden.
Eine neue Methode ist die Verwendung von natürlichen Variationen in der Materialstruktur, die beispielsweise per Kamera aufgenommen werden und als Fingerabdruck der Verpackung fungieren. Diese materialinhärenten und zufälligen Charakteristiken erfordern keine gesonderte Erstellung und lassen sich einfach nachweisen, während sie kaum fälschbar sind. In Kombination mit einer eindeutigen Produktnummer, die einen Verweis auf einen Datenbankeintrag mit den exakten Materialcharakteristiken enthält, kann so eine sehr sichere Echtheitserkennung vorgenommen werden.
Die Nach- und Rückverfolgung von Produkten entlang der gesamten Logistikkette durch das Einlesen von Produktnummern wird auch Track & Trace genannt. Hierbei wird jedem Produkt eine eindeutige Produktnummer zugeordnet und aufgebracht. Diese wird in einer Datenbank hinterlegt und verwendet, um das Produkt entlang seiner Lieferkette zu verfolgen. Dafür wird die Produktnummer in der Regel als maschinenlesbares Etikett (Data Carrier) aufgebracht. Das bekannteste Etikett ist der Barcode (insb. ISO/IEC 15420). Es gibt inzwischen aber eine größere Anzahl an Alternativen wie 2D-Codes (insb. ISO/IEC 16022), Dotcodes oder RFID-Chips (ISO/IEC 18000-x Klassen). Zu jeder Produktnummer können unterschiedliche Eigenschaften über das Produkt in einer Datenbank hinterlegt werden. Besonders wichtig sind dabei die Daten über die Lieferkette. In der Regel wird sowohl eine intendierte Lieferkette abgelegt als auch an den jeweiligen Stationen (Lager, Verteilung) ein Scan der Produktnummer vorgenommen. Dadurch ist immer nachvollziehbar, wo das Produkt war und wohin es als nächstes geliefert wird und ob Abweichungen vorliegen. Die Nachverfolgung hilft so beim Nachweis der Echtheit, da die Lieferkette zurückverfolgt werden kann und beim Erkennen von Fälschungen, da solche in der Regel keine saubere Lieferkette nachweisen können.
Technische Ansätze zur Lösung von Problemen mit Produktfälschungen verfügen über ein großes Potential. Dennoch gibt es eine Reihe an Hürden, die bei einer Einführung überwunden werden müssen und die sich aus der Interaktion verschiedener Systeme ergeben. So müssen bei Track & Trace Systemen beispielsweise Logistikdienstleister und später ggf. auch Servicepartner oder Handel mit den verschiedenen Etiketten umgehen können und dafür jeweils effiziente Scanprozesse und Technologien etablieren. Erfasste Daten müssen dann in die Datenbank des Unternehmens, das das Produkt hergestellt hat, übertragen werden. Hierbei müssen ggf. unterschiedliche Datenschemata und Schnittstellen bedient werden.
Um die Komplexität zu senken, ist es sinnvoll, ein möglichst hohes Maß an Standardisierung anzustreben. Dabei sollte zwar die individuelle Auswahl der Datencarrier möglich sein, die Scanprozesse aber möglichst nicht differenziert werden müssen und mit einheitlicher technischer Ausstattung möglich sein. Die Schnittstellen und Datenschemata sollten indessen keine großen Anpassungsbedarfe erfordern, selbst wenn das Attributset individuell erweitert wird. Technische Standards und Best Practices bieten dabei nicht nur eine Lösung von Problemen im Bereich der Interoperabilität, sondern helfen auch Synergieeffekte zu heben. Es ist darüber hinaus wichtig, um bei den Partnern der Lieferkette die benötigte Akzeptanz zu erreichen.
Bei den Sicherheitsmerkmalen ist die Situation etwas anders. Hier ist vorrangig sicher zu stellen, dass keine Innovationshemmnisse entstehen, die es Fälschern zu einem späteren Zeitpunkt in die Lage versetzten die Sicherheitsmerkmale zu kopieren oder neue Verfahren einzuführen.
Die technologischen Möglichkeiten, die Lieferketten sicherer zu machen, sind vorhanden. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, die passenden Rahmenbedingungen durch gemeinsame organisatorische und technologische Abstimmungen zu schaffen, um die Potenziale voll auszuschöpfen.
Die Initiative Innovationskraft für Sicherheit in der Wirtschaft könnte sich folglich insbesondere folgenden Aspekten widmen:

  • Vorantreiben einer Abstimmung über gemeinsame Standards, die helfen würden, Handel, Partner und Logistiker mit möglichst wenig zusätzlichem Aufwand zu belasten.
  • Suche nach Synergien beim Aufbau der teilweise komplexen und teuren Infrastrukturen.
  • Vereinfachen des Austauschs über Best Practices.

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