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OK & Terror: Alles klar, oder?

Das Bundeskriminalamt lud zum Symposium nach Berlin. Das Thema: „Organisierte Kriminalität“. Der Schwerpunkt lag auf der Frage nach der Verbindung von OK und Terrorismus.

Beginnen wir mit einfachen Fragen und ihren scheinbar klaren Antworten: Ist eine Terrorgruppe eine illegale Organisation? Ja. Kann sich eine illegale Organisation legal finanzieren? Wohl kaum. Die Lösung könnte also einfach sein. Natürlich muss es den so genannten „Crime-Terror-Nexus“ geben, also die Zusammenarbeit von Gruppen der Organisierten Kriminalität und Terroristen. Oder noch effektiver: Organisierte Kriminalität, verübt von Terroristen selbst. Bekannt sind die Fälle von geschäftsmäßigen Entführungen auch deutscher Urlauber in Afrika zum Beispiel durch Al-Qaida. Bekannt sind ebenfalls der Schmuggel von Kulturgütern und Erdöl durch Daesh. Wie sonst sollten sich Terroristen auch substanziell finanzieren, wenn nicht über illegale, kriminelle Wege. Terrorgruppen wie Boko Haram können wohl schlechterdings ein Konto bei einer deutschen Bank eröffnen und verdienen ihr Geld auch nicht als Angestellte bei einem mittelständischen Betrieb.

 

Doch so einfach macht man es sich mit der Herleitung beim Bundeskriminalamt nicht.  Es ist in der Tat komplizierter, als man gemeinhin denken mag. Dabei müssen drei Dimensionen berücksichtigt werden.

Erst einmal versteht es sich von selbst, dass sich kriminelle Gruppen oder Terroristen ungern auf die Finger schauen lassen. Aktivitäten finden also verdeckt statt. Hat eine Terrorgruppe also tatsächlich ein scheinbar normales Konto bei einer regulären Bank, ist der Anführer eines Terrornetzwerkes im Alltag nicht vielleicht doch ganz normaler Arbeiter und Angestellter?

Zweitens sind nicht alle Aktivitäten auch tatsächlich weltweit kriminell. Schnell ist man bei staatlich finanziertem und unterstütztem Terrorismus, wie man ihn dem Iran zum Beispiel unterstellt. Oder man erlebt geduldete Kooperation in sogenannten „failed states“, wo solche Clans für Ruhe und Ordnung sorgen, die man in Europa ohne Probleme als hoch kriminell oder terroristisch einordnen würde. Ohne so manchen Warlord wäre die öffentliche Ordnung in manchen afrikanischen Staaten noch desaströser als ohnehin schon. Ebenso herrschen unterschiedliche Sichtweisen vor. Ob eine Organisation als Freiheitskämpfer für die gerechte Sache oder schlicht als Terroristen gesehen werden unterscheidet sich ebenfalls von Staat zu Staat. Erinnert sei hier an die kurdische YPK-Miliz: Von NATO und Deutschland gefördert, von der Türkei bekämpft. Ein hochpolitisches Minenfeld also für ein Land wie Deutschland, dass auf Ausgleich mit anderen Ländern setzt und Provokation sowie Schuldzuweisungen verabscheut.

Drittens ist der „Crime-Terror-Nexus“ ebenso ein innenpolitisch hochbrisantes Thema und zwar auch aus finanziellen, budgetären Erwägungen. Dem Terror wurde in den letzten Jahren eine sehr hohe Aufmerksamkeit geschenkt, um es milde auszudrücken. Vieles wurde zu seiner Bekämpfung unternommen. Gesetze wurden geändert, Kriege wurden begonnen, Budgets zwischen Ministerien wurden umverteilt. Es geht um Geld, um viel Geld, auch auf der Seite derer, die gegen Terror und Kriminalität kämpfen. Diese drei Aspekte machen das Thema hochbrisant und kompliziert.

 

Das Bundeskriminalamt beschreitet also in mehrfacher Hinsicht ein Minenfeld, wenn es die Verquickung von Terror und OK zum Thema macht. Umso mehr ist es der Direktorin beim Bundeskriminalamt, Frau Dr. Sabine Vogt, zu danken, dass sie dieses nach eigenen Worten „Unknown territory“ betritt.

 

Was das Terrain so unbekannt macht, ist nicht allein die Tatsache, dass Kriminalität nun einmal im Verborgenen stattfindet. Die ungemeine Wandlungsfähigkeit Organisierter Krimineller und Terroristen trägt ihren Teil dazu bei. Neue Tendenz: Gruppen der Organisierten Kriminalität politisieren sich. Darauf macht Professor Mathias Rohe von der Universität Erlangen während des Symposiums aufmerksam. Dies sei der Fall, wenn zum Beispiel türkische Clans nicht nur einfach verdeckt kriminelle Geschäfte betreiben, sondern auch ihre Herkunft und Nationalität aktiv verfechten und gegenüber anderen Gruppen durchsetzen. Hier greifen eine archaische Familienmentalität, mitunter verletztes Ehrgefühl und nationaler Stolz ineinander über.

 

Von der anderen Seite betrachtet gebrauchen Akteure der OK durchaus terroristische Methoden, um Angst und Schrecken zu verbreiten, zum Beispiel durch Bombenanschläge. Ebenso, so Rohe, werden teilweise öffentlichkeitswirksame Überfälle durchgeführt, um auf die Stärke der eigenen Gruppe aufmerksam zu machen und so für Neueinsteiger in die Szene interessant zu werden.

Und wie sieht der „Crime-Terror-Nexus“ mit Blick auf Terroristen aus? Dr. Judith Vorrath von der Stiftung Wissenschaft und Politik verweist hier auf die hybriden Organisationsformen – dort, wo sich terroristische Vereinigungen der Methoden der OK bedienen um ihre politischen und religiösen Ziele zu verfolgen. Auch durchlaufen einzelne Personen im Laufe ihres Lebens diesen Wandel ganz persönlich. Vorrath nennt in diesem Zusammenhang Iyad Ag Ghaly, dessen „Karriere“ ihn vom Diplomaten zum Dschihadisten werden ließ. Dennoch will Vorrath solche Phänomene auf Einzelfälle beschränkt wissen: „International steht die Verflechtung von transnationaler OK und Terrorismus zunehmend im Fokus. Diese existiert, ist aber nicht immer eng und auch nicht in jedem Kontext die vorrangige Gefahr.“

Man versteht, warum unter anderem das Bundeskriminalamt den „Crime-Terror-Nexus“ auch in Deutschland zum Thema macht. Terror zu bekämpfen ist ein allgemein anerkanntes und respektiertes Ziel. Das verspricht Anerkennung, Geld und Personal. Auch sind die Möglichkeiten bei Ermittlung und Sanktionierung ganz andere als bei der Bekämpfung „normaler“ Kriminalität. Dennoch tut man sich mit der Diskussion keinen Gefallen. Sie versucht, ein Phänomen per Definition in den Griff zu kriegen, das sich äußerst flexibel anpasst. Kriminelle und Terroristen scheren sich nicht darum, welche Namen ihnen Experten und Juristen geben. OK und Terror zu bekämpfen heißt jedoch, präventiv wirksam zu werden, also „vor der Tat“ zu sein. Das wünscht man sich nicht nur für den Terror, sondern auch für die OK. Statt sich also an das Phänomen des Terrors anzulehnen, sollten Sicherheitsakteure in Behörden und Wirtschaft von der Politik die gleiche Aufmerksamkeit für die OK fordern. Denn: die Schäden für die Gesellschaft sind in ihren Dimensionen vergleichbar mit denen durch den Terror. Und es geht nicht „nur“ um Schäden für die Wirtschaft. Es sterben Menschen – so, wie vor kurzem Ján Kuciak und seine Verlobte in der Slowakei. Hier ist der „Crime-Terror-Nexus“ offensichtlich, substanziell und dauerhaft. Ganz einfach.

 

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