EN „Man könnte auch russisches Roulette spielen!“

Arzneimittelkriminalität ist ein ernsthaftes Problem. Das FVS sprach mit Marina Bloch, bei Bayer im Bereich der „Anti-Counterfeiting Group Medical“ tätig. Bayer engagiert sich für den Patientenschutz. Wie betroffen ist das Unternehmen selbst? Bayer ist als Life Science Unternehmen im Gesundheitsbereich auf die Forschung und Entwicklung innovativer Arzneimittel fokussiert und somit als Originalhersteller von hochwertigen Medikamenten genauso von der Problematik des Auftretens von Fälschungen betroffen, wie andere Hersteller auch. Bei der Einnahme von gefälschten Produkten entsteht für die Patienten und Konsumenten ein hohes gesundheitliches Risiko. Darüber hinaus verursachen Produktfälschungen auch einen hohen wirtschaftlichen Schaden: insgesamt für die Volkswirtschaft, aber auch für jedes einzelne Unternehmen. Warum kommen Patienten, also kranke Menschen, überhaupt auf die Idee sich durch Fake-Produkte kurieren zu wollen? Viele Patienten und Konsumenten sind sich überhaupt nicht bewusst, dass sie gefälschte Produkte einnehmen oder erkennen gar nicht, dass sie damit ein hohes gesundheitliches Risiko eingehen. Häufig werden die Produkte unwissend über illegale Online-Apotheken bezogen, da dieser Weg für die Patienten sehr bequem und einfach erscheint. Hier kann nur konsequente Aufklärung hinsichtlich der Gefahren und Risiken helfen. Gibt es besonders eindrucksvolle Beispiele von schädlichen gefälschten Arzneimitteln? Was wird da so als Grundsubstanzen verarbeitet? Die Problematik und das Risiko bei gefälschten Arzneimitteln liegt insbesondere darin, dass die wahren Inhaltsstoffe meist gar nicht bekannt und deklariert sind und auch die Menge der verarbeiteten Stoffe von Tablette zu Tablette oder Packung zu Packung schwanken kann. Mit anderen Worten: Man weiß nicht, was und wieviel konsumiert wird. Man könnte auch „russisches Roulette“ spielen. Es werden teilweise auch nicht die deklarierten Wirkstoffe verarbeitet, sondern stattdessen Stoffe, die lediglich ähnliche Wirkungen hervorrufen.  Oder aber es werden beispielsweise Giftstoffe gezielt beigemischt, um bestimmte und bekannte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit hervorzurufen und dem Patienten somit die scheinbare Echtheit der Produkte vorzuspielen. Wie ist die Organisierte Kriminalität im Bereich Arzneimittel strukturiert? Wir haben es hier seit langem nicht mehr mit der Tat Einzelner, sondern vielmehr mit international agierender Organisierter Kriminalität zu tun, die wie ein weit verzweigtes Franchise-Unternehmen agieren: Im Land A werden die Produkte hergestellt, aus Land B werden sie verschickt, das Land C unterhält ein Konto für Zahlungen und zwischendrin bestehen weit verzweigte und gut organisierte Lieferketten. Die Produkte werden dann online über scheinbare Internetapotheken vertrieben und in Einzelpackungen an die Patienten ausgeliefert. Apropos „Online“ – Wie groß ist der Anteil der Fake-Shops am Gesamtangebot und wie kann man die Guten von den Bösen unterscheiden? Der Anteil illegaler Online-Apotheken kann zwar auf Grund der hohen unentdeckten Dunkelziffer nur geschätzt werden, dürfte aber bei bis zu 50 Prozent liegen. Die Unterscheidung von legalen und illegalen Online-Apotheken fällt in aller Regel schwer, da auch die illegalen Apotheken nach außen sehr professionell auftreten. Wenn aber beispielsweise ein rezeptpflichtiges Produkt auch ohne die Vorlage eines Rezeptes abgegeben wird, sollte jeder Patient hellhörig werden und vielleicht auch den Originalhersteller, einen niedergelassenen Apotheker oder seinen Arzt fragen. Was muss in der Pharmabranche in den nächsten Jahren noch umgesetzt werden, um die Sicherheit weiter zu erhöhen? Die Aufgabe der Zukunft auch in den nächsten Jahren wird weiterhin die konsequente Aufklärung über die Risiken und den Schutz vor Arzneimittelfälschungen sein. Auch die Umsetzung der EU-Fälschungsschutzinitiative sowie die Novellierung einiger nationaler sowie europäischer Regelungen zum Schutz gegen Fälschungen und zur Verfolgung von Fälschungen wäre wünschenswert. Darüber hinaus sollten wir an einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betroffenen, also der Behörden und der Industrie als auch der Patienten weiter arbeiten. Vielen Dank, Frau Bloch, für das Gespräch!

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