Panzer sollen schneller rollen

Truppen möglichst schnell von West nach Ost verlegen – darüber machen sich Militärstrategen in Europa schon seit jeher Gedanken. Nun nimmt sich die EU des Themas an, um eine mögliche Mobilmachung zu beschleunigen.

Frederica Mogherini, die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“ hat am Freitag, dem 10. November ein Papier vorgelegt, das die militärische Mobilität innerhalb der Europäischen Union verbessern soll. Grund sind die wiederholten Beschwerden des US-amerikanischen Verbündeten aber auch vieler EU-Militärs, dass für Truppenverlegungen in Friedenszeiten hohe bürokratische Hürden zu überwinden seien. Die vielfach notwendigen Zollpapiere, die jeweils detaillierte Angaben zu Fahrzeugen und Waffensystemen abverlangen, führen zum Beispiel bei Vorbereitungen für umfassende Manöver zu wochenlangen Verzögerungen.

Was wie ein Anachronismus aus den Zeiten europäischer Kleinstaaterei klingt, hat seine tiefen Wurzeln in der unantastbaren staatlichen Autorität der EU-Mitgliedsstaaten. Jedes Land hat das originäre Interesse und durchaus verständliche Recht, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Truppen anderer Länder sich auf dem eigenen Staatsgebiet bewegen. Gerade angesichts der europäischen Geschichte gehen die Verantwortlichen in Europa nicht leichtfertig mit dem Thema um. Angesichts der neuen Spannungen mit Russland stößt dieses Verhalten jedoch vor allem jenseits des Atlantiks auf zunehmendes Unverständnis. Denn letztlich geht es auch um Schnelligkeit. Kriege und Krisen heutiger Zeit beginnen nicht mehr mit einer offiziellen Kriegserklärung und dann folgender Mobilmachung. Der russisch-ukrainische Krieg hat gezeigt, wie hybrid die Bedrohungslage ist und wie verdeckt und schnell eine Mobilisierung russischer Truppen vonstatten gehen kann. Sich dagegen zu wappnen, gehört ebenso zum vitalen Interesse westeuropäischer Staaten. Am Ende müssen französische Panzer möglichst schnell die Ostflanke der NATO erreichen können, und das ohne den vorgeschalteten Papierkrieg der Zollbehörden.

Dieser Sachverhalt ist an sich nicht neu. Schon 2014 haben vierzehn EU-Mitgliedsstaaten die Schaffung eines „Multimodal Hub Transport Network (M2TH)“ beschlossen. Doch Aktivitäten dieser Art sind offensichtlich noch nicht ausreichend. So stellt das veröffentlichte Kommissionspapier fest: „Es braucht verstärkte Bemühungen um die Koordination unter den Mitgliedsstaaten zu verbessern.“ Nun sollen die Problembereiche also konkret angefasst werden. Dazu gehören vor allem die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Zollformalitäten, die Klärung über den Transport sogenannter gefährlicher Güter (Waffensysteme, etc.) und eben auch der Schutz kritischer Infrastrukturen selbst. Bei Letzterem gehören natürlich die europaweiten Verkehrssysteme zu den stark gefährdeten neuralgischen Punkten einer Verteidigungsfähigkeit. Eine Selbstverständlichkeit, die in den vergangenen Jahren nur zu gerne verdrängt wurden. Die Zeiten schienen vorbei, als man in Westeuropa die kontrollierte Sprengung von Brücken schon beim Bau mit einplante, um ein mögliches zukünftiges Vorrücken der Sowjetunion zu erschweren. Nun wird immer klarer, dass die Gefährdung von Verkehrsinfrastruktur nicht einfach ad acta gelegt werden kann, zumal sich angesichts vernetzter Verkehrssysteme die Verletzlichkeit eher noch erhöht hat.

Im März 2018 soll Mogherini eine konkreten „Action Plan“ vorlegen, der danach in den EU-Mitgliedsstaaten diskutiert werden soll. Bis hin zu einer voll einsatzfähigen Europäischen Verteidigungsunion im Jahre 2025 sind also noch einige politische und bürokratische Hürden zu überwinden.

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