„Follow the money“
Geld- und Warenströme im Blick haben – wer ist besser geeignet, als der Zoll. Doch ihm mangelt es an Struktur, politischer Aufmerksamkeit und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Zollverwaltung ist nicht nur Gefahrenabwehrbehörde und Polizei sondern auch Nachrichtendienst. Dieses breite Aufgabenportfolio sichert dem deutschen Zoll eine wesentliche Funktion in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. Dieser vernetzte Ansatz ist gleichzeitig auch die größte Schwierigkeit. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist der Zoll einzig die Stelle, von der sie den Brief zur Kfz-Steuer bekommen. Selbst Experten ist meist nicht klar, dass der Zoll eine hybride Behörde mit einem extrem breiten Verantwortungsbereich ist. Dieses diffuse und verzerrende Bild ist das größte Problem des Zolls bei seinem Ansehen in der Öffentlichkeit.
Im Jahr 2016 stiegen die Steuereinnahmen des Bundes erneut auf nunmehr 648,3 Milliarden Euro. Norbert Drude, Präsident des Zollkriminalamts macht deutlich, dass rund 40 Prozent davon, also rund 130 Milliarden Euro über den Zoll generiert werden. ein bedeutender Teil davon wird über Verbrauchssteuern oder Einfuhrumsatzsteuern erhoben. Aktuell werden rund 14 Milliarden an Steuereinnahmen über den offiziellen Zigarettenhandel generiert. Der offene illegale Straßenhandel mit Zigaretten, zum Beispiel in Berlin, sucht seinesgleichen. „Der Straßenhandel blüht aber wir halten dagegen”, so meint Norbert Drude, Präsident des Zollkriminalamts. „Über 3 Millionen Zigaretten konnten allein in diesem Jahr sichergestellt werden. Das verhindert das Phänomen zwar nicht zur Gänze aber es dämmt es ein“, so Drude.
Das Betätigungsfeld der Organisierten Kriminalität ist groß. Allein in Berlin ist jede zweite im Verkehr befindliche Zigarette illegal. Doch die Banden und beschränken sich nicht auf Tabak allein – im Gegenteil. Gerade in den letzten Jahren haben Experten festgestellt, dass die Organisierte Kriminalität zunehmend in Bereiche vordringt, in denen der Kontrolldruck noch nicht so hoch ist, wie bei den üblichen Schwerpunkten der Strafverfolgungsbehörden. Das Interesse des Zolls und damit des deutschen Staates müsste also darin liegen, die Organisierte Kriminalität vor allem in diesen neuen Bereichen zu bekämpfen. Doch ist der Zoll dafür aufgestellt und wird er seiner Aufgabe gerecht?
Den Zollbehörden fällt eine Priorisierung tatsächlich schwer. Der Nachteil einer hypbriden Struktur, die viele Verantwortungsbereiche verknüpft ist nun einmal die Gefahr, sich zu verzetteln. Neben dem Warenwirtschaftsverkehr gehört eben auch seit jüngerer Zeit die Absicherung der sozialen Sicherheit durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu den Aufgaben des Zolls. Auch die Sicherung des Außenwirtschaftsverkehrs ist ein Schwerpunkt. 17 Zollverbindungsbeamte sind weltweit unterwegs, um durch internationale Vernetzung mit anderen Ländern die Kriminalität dort zu bekämpfen, wo sie entsteht. Auch läuft die Kooperation innerhalb von Sicherheitskooperationen mit den Ländern und den Polizeien laut Drude gut. Er verweist auf Erfolge wie dem in Frankfurt, als der Zoll am 16. Juni im Darknet den Waffenlieferanten ausfindig machte, der den Amokläufer von München versorgte.
Zoll als Garant für äußere Sicherheit
Was hat der Zoll mit äußerer Sicherheit zu tun? Die Zollverwaltung ist auch zuständig für die äußere Überwachung des Warenwirtschaftsverkehrs. Sie hat die Aufgabe, verbotene Proliferation also Exporte zu verhindern, mit deren Hilfe anderenorts zum Beispiel Atomwaffen oder Waffenträgersysteme hergestellt werden können. Der Zoll sorgt dafür, dass das zumindest ohne deutsche Technologie passieren muss. Er setzt also auch Embargoverordnungen durch, die im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegen.
Die Terrorbekämpfung ist ebenfalls ein hybrides Thema des Zolls, welches die innere und äußere Sicherheit gleichermaßen betrifft. Wichtig ist hier die Gewinnung von Informationen. Die zentralisierte Sicherheitsrisikoanylse findet unter Führung des Zolls seit 2011 in Eschborn in der Oberpfalz statt. 76 Kolleginnen und Kollegen arbeiten 24/7 für Risikoanalysen in Echtzeit. Von dort werden jährlich über 30 Millionen Einfuhrpositionen überprüft, dank ausgefeilter IT-Technologie. Mehrere 1000 Risikohinweise werden dabei heraus gefiltert, denen dann konkret nachgegangen wird. Das System steht auch anderen Behörden offen. Dieses Angebot wird aber nur zögerlich angenommen, klagen Vertreter des Zolls. Hier stößt Vernetzung also auf Probleme und Grenzen.
Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirksgruppe Zoll legt dann auch den Finger in die Wunde. Für ihn ist „der Zoll zwar seit Jahren Tabellenführer im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität.“ Er stellt jedoch fest: „Die Organisationsstruktur ist Patchwork ohne klare Melde- und Befehlswege. Wirksame Bekämpfung von Organisierter Kriminalität ist nicht möglich. Die Zollverwaltung ist dazu einfach nicht in der Lage.“ Buckenhofer kritisiert das mangelnde Personal. „Teilweise ist in ganzen Bundesländern nachts kein einziger Zollbeamter im Dienst.“ „Rund um die Uhr“ bedeutet für den Zoll dann eben oft, dass Beamte mal morgens, mal mittags und mal abends im Dienst sind. Bukenhöfer süffisant: „Nicht hinschauen ist eben auch eine Art der Stichprobe.“ Das der Zoll überhaupt so gute Ergebnisse und seinen Beitrag zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland leistet, liegt daher wohl hauptsächlich am Improvisationstalent der Zöllner. Eine Sicherheitsorganisation mit solch zentraler Bedeutung darf jedoch nicht auf Improvisation bauen.
Geld und Personal bekommt die Zollverwaltung naturgemäß über die Politik. Sie hat Prioritäten zu setzen und durch den Bundeshaushalt die Mittel zu verteilen. Doch hier hält sich der Zoll im parlamentarischen Schatten auf. Federführend zuständig ist der Finanzausschuss. Doch dieser hat keine Expertise im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Den dort vertretenen Fachpolitikern ist das Thema der Kriminalität fern. Der hierfür zuständige Innenausschuss wiederum verweist auf den Finanzausschuss, da ihm der Zoll mit seinen vielfachen Aufgaben fremd ist. Aufgesplittete Verantwortlichkeiten im Finanz- und Innenausschuss, unzureichende interne Befehlsketten und Personalmangel – die Kolleginnen und Kollegen führen ein stiefmütterliches Dasein, dass ihren Aufgaben und ihrer Bedeutung nicht gerecht wird.