Ideenklau 4.0

Kaum eine Branche steht so sehr für Qualität „Made in Germany“, wie der Maschinen- und Anlagenbau. Der größte industrielle Arbeitgeber als das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ stellt Jahr für Jahr, zuletzt gerade wieder 2015, neue Export- und Umsatzrekorde auf. Und kaum eine Branche ist so massiv von Plagiaten und Produktpiraterie betroffen. Dass deutsche Ingenieurskunst Begehrlichkeiten bei Kriminellen weckt, ist nichts Neues. Doch es scheint, als ob immer dreister abgekupfert und wertvolles Know-how geklaut wird. Nicht nur Konsumgüter, sondern auch Ersatzteile von Maschinen – oder sogar komplette Produktionsanlagen inklusive originaler Bedienungsanleitungen – werden mittlerweile kopiert. Und die Perspektiven werden angesichts des Megatrends zur vollvernetzten Industrie 4.0 nicht gerade rosiger.
Bereits 70 Prozent der Unternehmen betroffen
Wie groß das erstaunliche Ausmaß an wirtschaftskrimineller Energie tatsächlich schon ist, zeigt die aktuelle „Studie Produktpiraterie 2016“, die der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) alle zwei Jahre veröffentlicht. Ein Blick in die Umfrage lohnt und offenbart, dass 70 Prozent der zumeist mittelständischen VDMA-Unternehmen von Produkt- oder Markenpiraterie betroffen sind. Der Schaden für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau wird auf 7,3 Milliarden Euro geschätzt – jährlich. Mit diesem Umsatz hätten rund 34.000 Arbeitsplätze geschaffen werden können. Hinzu kommen die bekannten immateriellen Folgen wie Imageverlust, Verlust des Marktvorsprungs oder ungerechtfertigte Regressanforderungen. Seit 2003 hat die Produktpiraterie von 50 auf 70 Prozent zugenommen. 83 Prozent der Fake-Produkte kommen aus China.
Ideenklau 4.0 droht
Und die vielleicht größte Herausforderung für den Maschinenbau steht noch bevor bzw. klopft bereits mit voller Wucht gegen die Unternehmenstore. Die Industrie 4.0, die Digitalisierung der Produktion und ganzer Wertschöpfungsketten auch über Unternehmensgrenzen hinweg, ermöglicht prinzipiell noch einfacheren Zugang zu wertvollem Know-how. Beispiel 3D-Druck. Bekommen Kriminelle hier die Originaldaten in die Finger, können mühelos perfekte 1:1-Kopien erstellt werden. In einschlägigen Ländern soll es bereits Auftragsfälschungen in speziellen 3D-Fertigungsanlagen geben, berichtet der VDMA. Nicht nur der Branchenverband erwartet, dass auch die Produktpiraten den digitalen Weg weiter mitgehen. Gerade die digitalen Schutzmaßnahmen für sensibles Firmen-Know-how müssen daher in der ganzen Wirtschaft und bei der Politik schnell ganz oben auf die Agenda. Und es ist vorauszusehen, dass im Zuge von Industrie 4.0 auch die Investitionen in die neuesten technologischen Schutzmaßnahmen wie Embedded Security und Track & Trace weiter zunehmen werden, um den digitalen „Ideenklau 4.0“ einzudämmen.

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