Forum Vernetzte Sicherheit

In-depth considerations on synergistic security

Entlastungsmodelle gesucht

Karl F. fährt mit seinem Funkstreifenwagen mit exakt 76 km/h über die Autobahn. Die stundenlange Monotonie macht ihn und seinen Kollegen müde. Plötzlich fährt ein Kleintransporter mit rumänischem Kennzeichen in rasendem Tempo an ihnen vorbei. Sie wissen, ein Fahrzeug dieser Art ist aktuell zur Fahndung ausgeschrieben. Dennoch bleiben Karl F. und seinem Kollegen nichts anderes übrig, als die Leitstelle zu benachrichtigen und weiter hinter dem vor ihnen fahrenden Lkw „kleben“ zu bleiben. Ein konstruiertes Beispiel aber genau so sieht der Alltag vieler Polizisten in Deutschland aus: Lästiger Routinedienst. Für „echte“ Strafverfolgung bleibt immer weniger Zeit.
Die beiden Polizisten auf der Autobahn begleiten einen Schwertransporter. Eine Aufgabe der Verkehrssicherung, die die Polizei als „Service“ bereit stellen muss. Aber die beiden Kollegen fragen sich, ob sie als vollwertige Polizisten mit jahrelanger Ausbildung nicht besser eingesetzt werden könnten, als stundenlang hinter LKWs herzufahren. Diesen Eindruck teilen Sie unter anderem mit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).
Die Polizei wird immer mehr als „Dienstleister der Verkehrssicherheit“ in Anspruch genommen. Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann hat jüngst eindrucksvolle Zahlen vorgelegt. Während die Begleitung von Großraum- und Schwertransporten  im Jahr 2010 noch 42.000 Einsatzstunden in Anspruch nahm, liegt die Zahl im Jahre 2016 bereits bei 63.000 – allein in Bayern. Dabei hat der Bedarf an Polizisten natürlich auch an anderer Stelle zugenommen.  Einbruchskriminalität und international agierende kriminelle Banden sowie erhöhte Anschlagsgefahr durch islamistische Terroristen machen die brennpunktorientierte Präsenz der Polizei eigentlich viel dringender. Stattdessen begleitet die Polizei regelmäßig das nächste Windrad im Schneckentempo über die Autobahn. Dabei ist die Gefahr, die von derartigen Transporten ausgeht, gering – wie der Blick in die Unfallstatistik beweist.
Private Firmen übernehmen Polizeiaufgaben
Grund genug, um effiziente und innovative Lösungen suchen und zu finden. Die Lösung: Private Firmen sollen zunehmend Aufgaben der Polizei übernehmen.  Sogenannte „Verwaltungshelfer” können überall dort eingesetzt werden, wo Routinearbeiten Polizisten von den wirklich drängenden Aufgaben im Bereich der Verbrechens- und Verkehrsunfallbekämpfung abhalten.  Derzeit besteht noch keine gesetzliche Grundlage für den Einsatz dieser Verwaltungshelfer. Daher hilft man sich mit so genannten „Pilotprojekten“. Dies soll jedoch keine Dauerlösung sein- – eine Entscheidung des Bundesrates wird in Kürze erwartet.
Durch den Einsatz von Hilfspolizisten, zum Beispiel im Bereich des Objektschutzes, scheint weitere Entlastung möglich. Teilweise wird die sogenannte „Hilfspolizei” schon eingesetzt, wie zum Beispiel in Niedersachsen oder Sachsen. Auch in Berlin ist es ein gängiges Bild, wenn weniger aufwändig ausgebildete Bedienstete Objektsicherungsaufgaben übernehmen.
Entscheidende Veränderung in der Sicherheitsarchitektur
Entscheidungen, wie diese, können die Sicherheitsarchitektur in Deutschland entscheidend verändern. Lösungen, wie die einer Hilfspolizei, sehen die Experten dabei nur als einen Zwischenschritt. Auch diese Kräfte müssen nämlich von den Innenressorts bezahlt werden. Geld für neue Polizisten hat man daher noch nicht. Am Ende dieser Übergangsphase sollen jedoch private Sicherheitsfirmen Aufgaben der Polizei übernehmen. Die Polizeiexperten betonen zwar, dass es sich nur um eng umrissene und klar definierte Aufgabenfelder handeln soll. Es zeichnet sich dennoch ein Riesengeschäft für die Branche ab. Wie weit das Wegdelegieren von Aufgaben von der Polizei hin zu privaten Sicherheitsdiensten gehen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Man befindet sich schließlich erst am Anfang der Debatte und noch nicht an ihrem Ende.
Letztendlich können „Beliehene“ die Aufgaben staatlicher Stellen eigenständig übernehmen – überall dort, wo nicht der “Einsatz der Waffe” zu erwarten ist. Eine Schwierigkeit ist dabei die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Es hat sich jedoch schon eine länderübergreifende Arbeitsgruppe zu diesem Thema gebildet.
Logistik besonders betroffen
Gerade in Bereich der Logistik arbeiten Transportfirmen, private Sicherheitsdienste, Zollbehörden und Polizeien schon Hand in Hand. Es ist zu erwarten, dass die private Sicherheitsvorsorge, also die umfängliche Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben durch die private Wirtschaft, in der Zukunft ein festes Element des Risikomanagements von Unternehmen sein wird. Die Verantwortung läge dann zum größten Teil bei der privaten Wirtschaft. Es  ist davon auszugehen, dass die derzeitige Ordnung im Bereich präventiver Maßnahmen eine entscheidende Veränderung erfahren wird. Vielleicht wird schon bald Karl F. mehr Zeit dafür haben, der Organisierten Kriminalität das Handwerk zu legen. Und Hersteller, Lieferanten und Händler sollten schon jetzt darauf gefasst sein, zukünftig wesentliche Aufgaben im Bereich der Sicherheit verstärkt oder gar ausschließlich mit privaten Unternehmen bewältigen zu müssen.

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